Donnerstag, 24. Oktober 2019

Tag 4: Landschaftswechsel. Und: nach Pamplona.

Samstag, 19.10.2019
4. Wandertag
Auza nach Pamplona
8,5h (mit Pausen) / 28km 
541m hoch / 603m runter

Heute früh war ich immer noch erstaunlich geplättet von der gestrigen Etappe. Einerseits war ich echt froh, doch noch was zum Übernachten gefunden zu haben, andererseits sehe ich schon mit einem Blick auf die Karte, daß das die heutige Tour wohl doch um eine Stunde länger als geplant machen wird. Also setze ich - ganz meinem Beruf entsprechend - den Rotstift an und kürze die heutige Tour etwas ein. Umweg zur Besichtigung des Bosque de Orbi (ein alter Eichenwald)? Gestrichen, auf der Straße vorbeigelaufen. Aufstieg zum San Cristobal mit der Festung Alfonso XII. und Aussicht über Pamplona? Gestrichen, vielleicht auf morgen verschoben. Egal, am Ende der Etappe lockt Pamplona und die Aussicht auf einen Tag Pause, den ich mir für morgen ausgedacht habe.

Die Sonne setzt sich noch am Vormittag ziemlich schnell durch, während ich auf stillen Landstraßen meine Abkürzungen durchziehe. Das Glück serviert mir noch einen winzigen Laden, in dem ich mich mit frischem Brot und Getränken versorge, bevor ich endlich die Straße verlasse und in den Wald abbiege. Durch ein leeres Dorf, an Wiesen mit Schafsherden vorbei, auf einem alten Camino runter ins Tal. Während ich so auf die Uhr gucke, denke ich mir noch so "Och, und unten im Tal machste erstmal schön Pause." Und tatsächlich bekomme ich unten, gleich nachdem ich den kleinen Bach überquert habe, eine Bank serviert. Frühe Mittagspause mit frischem Brot, in einem Tunnel aus herbstlichen Bäumen.


Ich treffe zwei alte Damen mit Kinderwagen und Hundemeute beim Spazierengehen und frische meine Spanisch-Kenntnisse auf, es reicht immerhin für's Grundlegende, wenn ich mich zwinge. Der gute alte (faule) Trick, zur Not ins Französische zu wechseln, funktioniert auch immer noch ganz gut. Wir laufen ein Stück nebeneinander her, aber irgendwann sind meine Vokabeln erschöpft und ich verabschiede mich und ziehe das Tempo an, kurz bevor wir ins nächste Dorf kommen.

Nach Gascue geht mir das Herz auf. Der Weg schwingt sich durch ein offenes Tal hinauf zur Ermita de San Urbano und bietet alles, weswegen ich gerne wandere. Sonne, Wind, Aussicht, bunte Herbstfarben und das schöne melancholische Gefühl, sich aus der Zivilisation zu verabschieden, während man auf den Wald zuwandert.


Oben an der Ermita haben die ersten Grillgäste (die mich vorhin mit dem Auto überholt hatten) schon den Kamin angeworfen, aber ich bin gerade gut im Tritt und halte mich nicht weiter auf. Hinter der Kirche führt ein schmaler schlammiger Pfad hinauf zum Sattel, dahinter öffnen sich weite Täler, durch die ich heute bis Pamplona wandern werde. Die nächsten Kilometer Weg hatte ich mir nur anhand der Karte rausgesucht (was beim spanischen Mißverhältnis zwischen dem, was in der Karte eingezeichnet ist und dem, was in der Landschaft tatsächlich existiert durchaus heikel sein kann) und tatsächlich wird der Pfad ziemlich schnell ziemlich rumpelig. Ein Räuberweg, wie er im Buche steht.





Ich scheuche ein paar Wildschweine im Unterholz auf, während mein Pfad immer schmaler wird. Anfangs sehe ich noch Reifenspuren, dann nur noch eine halbwegs freigeschnittene Schneise, bis der Pfad zwischen Schlammlöchern und wucherndem Unterholz immer wieder fast verschwindet. Aber eine Stunde später stehe ich auf der nächsten Schotterpiste und freue mich darüber, daß ich nicht irgendwo im Gestrüpp gestrandet bin. Davon ermutigt lasse ich ab sofort alle Wege, die jetzt schon ins Tal (und damit runter zur unvermeidlichen Straße) führen, links liegen und versuche weiter auf kleinen Wegen bis zum Dorf Navaz zu kommen. In einem kleinen Barranco verliere ich den Pfad und stelle fest, daß ich irgendwie doch vom Weg abgekommen bin. Aber nach einem kleinen Stück zurück und einmal beherzt Abbiegen ist alles wieder im Lot und ich kann durch eine trockene Schlucht das Dorf durch die Hintertür betreten.


Hinter Navaz beginnen die Felder und später die Vororte und Gewerbegebiete von Pamplona. Ich bin inzwischen froh, daß ich die heutige Tour etwas eingekürzt habe, denn ich bin schon wieder viel mehr k.o., als ich mir das wünschen würde. Jetzt nochmal 500 Höhenmeter auf den Berg da hoch und wieder runter? Pffft, nein Danke. Ich hab sowieso noch 10km Weg vor mir und es ist schon knapp 1600 Uhr. Die letzten 2,5h Stunden verbringe ich mit Druckwandern, während Dörfer zu Wohngebieten werden, Schotterwege zu Landstraßen, eingezäunte Häuser zu Kasernen, Bauernhöfe zu Gewerbeparks, Horizont zu Traufhöhe. Mir kommen die ersten abendlichen Jogger der Stadt entgegen und ich hangele mich an Bahnlinien und Landschaftsparks in Richtung Stadtzentrum, die Scheuklappen innerlich schon längst hochgeklappt.


Freundlicherweise gibt es einen Aufzug noch in die Altstadt, oben bin ich vollkommen überfahren vom Trubel in der Fußgängerzone. So viele Menschen! Aber was habe ich erwartet, an einem Samstagabend in Pamplona. Ich bahne mir mit schmerzenden Füßen meinen Weg durch die Altstadt und fühle mich vollkommen überfordert von so viel Trubel. Was vier Tage Wandern so alles ausmachen können.

Im Hotel schäle ich mich aus den Stiefeln, sieht nicht gut aus und fühlt sich auch nicht so an. Ich habe mit inzwischen ein paar Blasen und wunde Stellen gelaufen, wie immer zu Beginn einer solchen Tour. Insofern bin ich froh über den freien Tag, den ich mir morgen gönnen werde.

Nach Pamplona geht's in den nächsten Tagen Richtung Osten durch die Landschaft, meist auf Höhenzügen über weiten Tälern, bevor ich dann grob nach Süden abbiege. Nächstes großes Zwischenziel in knapp 2 Wochen: Saragossa.

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