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9. Wandertag
Isuerre nach Pozo Pígalo (Zelt)
7h (inkl. 2h Mittagspause) / 19km
569m hoch / 386m runter7h (inkl. 2h Mittagspause) / 19km
Bei der Verhandlung der Frühstückszeit
für heute morgen habe ich einen strategischen Schlenker nach hinten
gebracht. Meine Wirtin bringt erst ihren Sohn zur Schule nach
Sangüesa, danach gibt’s Frühstück. Ist zwar ungewöhnlich spät um 0930 Uhr,
aber würde ich mich tatsächlich beschweren, wenn ich morgens noch
ein bißchen länger im Bett rumhängen kann? Außerdem habe ich
heute genug Zeit und kann dann nebenbei noch eines der frisch in
Sangüesa gekauften Brote als Proviant einsacken. Kostenpunkt für
Zimmer, Abendessen, div. Biere, Frühstück und das Brot: 35 EUR.
Gleichzeitig wurde sich lange nicht so liebevoll um mich gekümmert,
obwohl ich gestern Nachmittag naß, dreckig und vor allem
überraschend zur Tür reingeschneit bin.
Ich verabschiede mich und steige
draußen erstmal ein paar Stufen zur Kirche hoch, die golden in der
Vormittagssonne glänzt. Die Aussicht geht über das ganze Tal und
die Berge dahinter, die ich heute und morgen durchwandern werde. Erst
nach einer Minute bemerke ich den alten Mann ein Stück weiter auf
der Bank, der sich die Sonne auf die Nase scheinen läßt. Nach einem
kleinen Smalltalk – soviel mein Spanisch halt zulässt – ziehe
ich los.
Gleich unterhalb vom Dorf ist ein
lokaler Wanderweg unten am Fluß entlang ausgeschildert, der
allerdings so verwachsen und verwildert ist, daß ich ihn nicht
finden kann. Bzw. nicht finden will, denn die Aussicht auf einen
Etappenbeginn im taunassen Unterholz ist nicht so ganz das, was mich
zum Schwärmen bringt. Also bleibe ich auf der Straße, was auch
wieder nicht so schlimm ist, denn ich kann dabei in die wärmende Vormittagssonne blinzeln. In der nächsten Stunde begegnet mir
genau ein Auto.
Kurz vor Lobera d'Onsella kommt mir
plötzlich meine Wirtin von gestern Abend auf einem Quad entgegen,
hupt, winkt und ist schon wieder vorbei. Ich hab sie wenigstens
gerade noch rechtzeitig unter dem Helm erkannt, um freundlich zurück
zu winken. Am Rand von Lobera d'Onsella studiere ich noch die
Informationstafel mit den eingezeichneten Wanderwegen, ohne deutlich
schlauer daraus zu werden. Es gibt wohl außer dem Weg, den ich mir
ausgesucht habe, noch einen anderen Wanderweg, aber wenn der genauso
mies begangen ist wie der Weg von vorhin, dann bleibe ich für meinen
Weg hoch in die Berge vielleicht doch lieber auf der Piste. Wie zur
Bestätigung hält ein rumpeliger Geländewagen neben mir und ein älterer Herr
mit einem noch viel älteren Beifahrer fragt nach dem Wohin. Ich
erkläre so gut es geht, als Antwort kriege ich einen Redeschwall
zurück, in dem mehrmals das Wort „Pista“ stark betont
herausfällt. Ich deute das als klare Empfehlung, auf der Piste zu
bleiben.
Also schraube ich mich die nächsten
2,5 Stunden auf der sonnigen Schotterpiste hoch in die Berge, kann
bald von oben auf Lobera d'Onsella und mein gestriges Etappenziel
Isuerre gucken, dahinter erstreckt sich der Bergrücken, auf dem ich
gestern entlang gewandert bin.
Am mittleren Nachmittag finde ich
endlich einen richtig schönen Platz zum Hinsetzen. Die Aussicht auf die Sierra de Santo Domingo ist fantastisch, leichter Wind zieht den Hang
entlang, die Sonne scheint, blauer Himmel. Und wenn ich mich ein
bißchen strecke, sehe ich die schneebedeckten Pyrenäen (im
Reisekatalog heißt das glaube ich „seitlicher Meerblick“). Nach
einem kleinen Imbiß dauert's nicht lange und mir fallen die Augen
zu, ich döse in den Nachmittag hinein. In diesem Moment genieße ich
voll und ganz die Freiheit, die mir das Zelt im Rucksack gibt. Ich
muß heute nirgendwo sein, nicht zu einer bestimmten Uhrzeit
ankommen, sondern einfach solange laufen, bis ich einen schönen
Platz für die Nacht finde.
Nach fast 2 Stunden Pause mache ich
mich an das letzte Stückchen Aufstieg, das ich mir vorgenommen habe,
schlendere dann in der späten Nachmittagsonne wieder auf der
entspannten Forstpiste. Ich treffe meine erste Schlange – fast wäre
ich auf sie draufgetreten. Kurz darauf komme ich am Wegweiser des
kleinen Wanderweges vorbei, der von Lobera d'Onsella heraufführt
(also der Weg, den ich heute Mittag verschmäht hatte): Gute
Entscheidung. Schmaler Pfad, sieht schwer nach Schwimmen im Gestrüpp
aus. Wahrscheinlich war meine optisch unromantische Piste mit
Aussicht doch schöner und entspanner für den Aufstieg.
Gegen 1700 komme ich am Pozo Pígalo an, einem Gebirgstal, das im Sommer einiges an Ausflugsverkehr zu
sehen scheint. Picknickbänke, ein Campingplatz (der Ende Oktober
natürlich geschlossen ist), der Bach bildet kleine Pools mit
Wasserfällen, die im Sommer zum Baden verpflichten. Ende Oktober:
Not so much. Auf dem Parkplatz steht ein einzelnes Auto, die
dazugehörige Fahrerin liegt in Outdoorklamotten auf einer der Bänke
in der Sonne und hat die Augen zugemacht.
Einen besseren Platz für's Zelt finde
ich heute wahrscheinlich nicht mehr, also werfe ich den Rucksack ab
und erkunde die nähere Umgebung. Mache einen Spaziergang den Bach
hinauf, das Ganze wieder zurück in die Gegenrichtung, hoch zur Kuhweide. Dort
steht das Refugio del Curro, eine primitive Schutzhütte,
die mit ihrem nackten Steinboden allerdings weniger einladend ist als
das weiche Gras neben den Picknickbänken. Ich mache ein paar Fotos,
streune weiter herum, die Sonne geht langsam unter, das letzte Auto
macht sich auf dem Weg ins Tal. Ich esse ein kleines Nachtmahl, baue
mein Zelt auf und krieche glücklich in meinen Schlafsack, weil es draußen sehr schnell empfindlich kalt wird.
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