Dienstag, 29. Oktober 2019

Tag 8: Aussicht vom Feuerwachturm

Alle Parkplätze für mich freigehalten!
Donnerstag, 24.10.2019
8. Wandertag
Javier/Xabier nach Isuerre
7h (inkl. Pause) / 24km 
752m hoch / 587m runter

Die Nacht über hat es fein geregnet, ich hab's am Morgen draußen immer noch plätschern hören. Unten beim Frühstück erwartet mich ein Gewusel aus spanischen Rentnern – gestern Abend ist passend zur Essenszeit noch ein ganzer Reisebus vorgefahren, womit ich eindeutig nicht mehr der einzige Gast war. Besser so...

Beim Schritt auf die Straße habe ich die Regenjacke schon übergeworfen und den Regenschirm drohend in der Hand. Scheint zu wirken, der Regen hört gerade wieder auf. Die erste Stunde Weg tröpfelt es noch ein bißchen vor sich hin, aber immer gerade nur so viel, daß man es gut ignorieren kann. Ringsrum in den Bergen allerdings hängen die Wolken noch fett und schwer, die Sonne wird heute kein leichtes Spiel haben.

Kurz vor Undués de Lerda treffe ich auf den Jakobsweg (also einen großen Jakobsweg...), richtig mit Markierungen und Schildern und allem Tamtam. Allerdings laufe ich quasi in die entgegengesetzte Richtung. Im Matsch sehe ich mindestens zwei verschiedene Fußspuren, die hier heute schon unterwegs waren. Und beim nächsten Anstieg treffe ich noch zwei Pilger, die heute wohl etwas später in Undúes gestartet sind. Ich bin so mit Aufstieg und Atmen und Keuchen beschäftigt, daß für einen Plausch nicht viel Zeit bleibt und so geht jeder seiner Wege.

Mein Weg geht heute erstmal nur Richtung oben. Die Etappe ist einfach gestrickt: 750m aufsteigen, oben auf dem Grat entlang bis zur Ermita de la Magdalena, dann wieder absteigen. Und so geht es die ersten vier Stunden fast kontinuierlich bergauf. Trotz immer noch mieser Kondition funktioniert das schon ein ganzes Stück besser als letzte Woche. Will sagen: Selbst ein altersschwacher Körper wie meiner scheint sich noch an solche Zumutungen gewöhnen zu können. Soll er mal besser!


Die Ermita de la Magdalena ist sowohl höchster Punkt als auch Höhepunkt des Tages. Die vier Stunden Aufstieg habe ich ohne Pause abgespult, jetzt mache ich erstmal in Ruhe Mittag. Die Sonne kommt raus, meine durchgeschwitzten Klamotten trocknen im Wind und ich habe mir was Warmes angezogen, Mütze dazu – so läßt es sich aushalten. Ich erleichtere den Rucksack um einen Apfel und ein bißchen Schokolade und fasse dann den Feuerwachturm gleich neben der Ermita ins Auge. Beim Vorbeigehen vorhin habe ich doch gesehen, daß das Vorhängeschloß an der Umzäunung nur vorgehängt, aber nicht eingerastet ist? Bingo! Mit ein bißchen Fummeln öffnet sich der Zaun und ich steige den Turm hoch. Die letzte Plattform ist leider abgeschlossen und ich stehe auf der Eisenrost-Treppe und mache Fotos vom Panorama ringsum, als mir dann doch beim Runtergucken leicht schwindelig wird. Verfluichte Höhenangst. Schnell Fotos gemacht, schnell wieder runter, Schloß vorhängen und wieder in die Sonne setzen.


Die letzten Stunden sind Genußwandern zwischen herbstbunten Eichen und Aussicht auf die Bergkette, die ich morgen und übermorgen durchqueren werde. Von hinten zieht noch ein Regenschauer durch das Tal heran, dem ich noch zehn Minuten zuschaue, bevor ich mich an den Abstieg mache. Selten habe ich mich im positiven Sinne so sehr von der Zivilisation entrückt gefühlt wie auf diesem Bergkamm hier oben, ganz alleine im Wind.

Genau mittig geht's morgen über die Berge...

Aber ein bißchen Zivilisation hätte ich heute noch gerne, ich habe unten im nächsten Dorf (Isuerre) das Bar-Restaurante-Hostal „El Balcón d'Onsella“ ins Auge gefasst. Vielleicht gibt’s da noch ein Zimmer für mich. Wenn nicht, werde ich halt weiterziehen und Zelten. Die Eingangstür ist geschlossen, aber dahinter rumort es, der Wirt schließt auf und verweist auf seine Frau. Die versorgt mich erstmal mit einem Bier, während sie schnell nochmal durchs Zimmer feudelt.

Zum Abendessen wieder runter, die Bar ist bis auf den letzten Tisch mit kartenspielenden Damen besetzt. Ich setze mich an den Tresen und lasse den Trubel auf mich wirken. Die Wirtin meint es wirklich gut mit dem nassen Wanderer, der da am späten Nachmittag zur Tür reinkam. Im Kamin brennt ein Feuer, im Fernsehen läuft ein spanisches Quiz. Eine Riesenportion Spaghetti mit Pilzen als Vorspeise, Schweinefleisch mit Pommes als Hauptgang, dazu ein riesiger Salatteller (den ich mit größtem Heißhunger vertilge). Erstmals in der Geschichte dieser Reise lehne ich das Angebot eines Desserts ab. Ich bin voll. Und verdammt zufrieden.

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