Samstag, 7. Dezember 2019

Tag 41: Regen. Nur Regen.

Montag, 02.12.2019
41. Wandertag
Ayora nach Almansa
6,25h (inkl. kleiner Pause) / 28km
406m rauf / 312m runter

Schickes Frühstück, ein längerer Plausch mit dem Wirt (der mir kurz seine Lebensgeschichte herunterdekliniert; in Deutschland geboren, mit 15 zusammen mit den spanischen Eltern wieder in die halbfremde Heimat gegangen...). Dabei löst er das Rätsel des "stillgelegten" Kernkraftwerks von Cofrentes: Nix stillgelegt. Nur für mehrere Wochen für turnusmäßige Wartungsarbeiten runtergefahren. Er erzählt mir außerdem, daß für diese Wartungsarbeiten tonnenweise Spezialkräfte aus ganz Spanien und Europa hier in der Gegend sind und sich auf die ganzen Ferienapartments und Zimmer in einem Umkreis von 50km verteilen. Das erklärt, wieso hier zu so einer seltsamen Jahreszeit so viele Läden ausgebucht sind... Mit befriedigter Neugier stehe ich um kurz vor 1000 Uhr auf der Straße.

Ich gehe los. Der Regen auch. Heute wird wahrscheinlich ein Tag nach dem Schema "Einfach nur hinter sich bringen" werden, der Wetterbericht sagt Wind und Regen satt an, ungefähr für die nächsten drei Tage. Das klingt erstmal doof, aber wenn ich es mit etwas Abstand betrachte, wird das wahrscheinlich der erste richtige Regentag überhaupt auf der ganzen Tour. (Ich habe beschlossen, daß ich den kurzen kräftigen Schauer vor ein paar Wochen, gleich hinter Fuentes de Ebro, hier nicht mitzähle. Immerhin hat damals am Nachmittag dann massiv die Sonne geschienen.) Also kann ich mich eigentlich kaum beschweren.

Die Hügel hinter Almansa bringen wenig Interessantes mit sich. Höchstens die Tatsache, daß sich zwischen die Oliven-, Mandel- und sonstigen Obstbäume immer wieder auch frisch gepflügte Felder (wie in: Getreidefelder) mischen. Regenjacke an, Schirm aufgespannt, beim Laufen dem Regen zuhören. 

Ich mache eine kurze Pause unter einem Baum, auf dem einzig trockenen Fleckchen weit und breit, und gönne mir die Ausbeute aus der Panaderia in Ayora. Heute empfehlen wir besonders: Schoko-Croissants mit so viel Schoko drin, daß sie beim Reinbeißen fast explodieren. Ich schaffe genau eines davon, trinke ein bißchen Wasser hinterher und bin für mindestens das 2. Frühstück und das Mittagessen gesättigt.


Eine gute Stunde später laufe ich im Regen an einem Hufeisen vorbei, das ein Pferd auf dem steinigen Weg verloren hat -- und drehe fünf Minuten später wieder um. Daran kann ich doch nicht vorbeigehen, das kommt als Erinnerung an diese Wanderung oben an den Querbalken meiner Garage. Da hängt auch schon das damals in Frankreich gemopste Schild. Im Eisen stecken noch fünf alte Nägel, die ich teilweise rausoperieren muß, um das Ganze transportabel zu machen. Ein kleinen Seufzer entfährt mir dann schon, als ich mich dazu entschließe, ab sofort für eine ganze Woche ein knappes halbes Kilo Eisen mit im Rucksack rumzuschleppen.

Die Hügel werden flacher und die Landschaft offener, was heute nichts anderes bedeutet, als daß der Wind ein noch leichteres Spiel mit mir hat. Den Regenschirm habe ich schon beiseite geklappt und höre dem andauernden Nieselregen dabei zu, wie er auf meine Kapuze klimpert.


Auf der anderen Seite der Nationalstraße laufe ich später in eine Falle: Eine Finca (ich vermute: Obstplantage?) hat den einzigen Weg weit und breit, der in meine Richtung führt, mit einem Tor dichtgemacht. Links und rechts könnte man durchgehen, es gibt keinen Zaun, nur ein blutrotes Schild mit gelben Lettern: "Achtung, freilaufende scharfe Stiere!" (so meine laienhafte Übersetzung vom Spanischen ins Deutsche). Das glaube ich natürlich kein Stück weit. Wo kein Zaun, da mit Sicherheit kein freilaufender Stier. Schon gar nicht auf einer Obstplantage. Trotzdem versuche ich, einen Weg um die Finca herum zu improvisieren, sie haben mit einer interessanten Staffelung an Verbotsschildern relativ klargemacht, daß sie keinen Besuch wünschen. Also wandere ich auf Kreuz- und Querwegen und später querfeldein durch die Obstbäume und warte immer mit einem halben Ohr darauf, daß gleich ein kleiner weißer Peugeot-Lieferwagen neben mir hält und Gesprächsbedarf anmeldet.

Aber nichts dergleichen. Nach einer guten halben Stunde bin ich auf der anderen Seite wieder raus und leicht genervt. Was für ein schräger Umweg. 

Lecker Wetter.
Immerhin war es eine kleine Abwechslung von den heute extrem öden Wegen. Ich darf mich eigentlich nicht beschweren; mir war total klar, daß bei der selbstgezimmerten Route hier unten im Tal der Dramatikfaktor schwer auf der Strecke bleiben wird. Der GR7 oben durch die Berge ist halt doch eine andere Geschmacksrichtung. Andererseits passen die schnurgeraden Feldwege heute wunderbar zum Wetter, Musik in die Ohren, Mütze ins Gesicht, Kilometer machen. Jegliche weitere Pausen schenke ich mir, viel zu naß, viel zu windig. Und mit 9 Grad ist heute auch garantiert nix mehr mit kurzen Hosen.

Vorne Wüste, hinten Almansa.
Almansa kommt in Sicht, irgendwo da hinten im Dunst. Vorne die Bahnstrecke, dahinter die Autobahn, dann eine Burg und eine Stadt, die sich ziemlich weit im Tal ausdehnt. Häßliche Gärten, wilde Müllhalden, Schrottplätze. Kurz vor der Brücke über der Autobahn steht mitten im Nirgendwo ein leicht klappriger Peugeot von der Guardia Civil mit laufendem Motor, die beiden Beamten brauchen offensichtlich eine kleine Auszeit vom stressigen Alltag in der Stadt. Ich kann ihnen beim Näherkommen durch die Windschutzscheibe dabei zugucken, wie sie darüber diskutieren, ob sie mich kontrollieren wollen. Der Jüngere will, hat schon seine Mütze in der Hand, der Ältere wiegelt ab. Ist ja auch naß und ungemütlich draußen.

Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, wandere durch die zugige Peripherie der Stadt zu meinem Hotel, idyllisch neben der Autobahnausfahrt gelegen. Weil niemand an der Rezeption ist, mache ich statt dessen Faxen mit den verspiegelten Glasfenstern den Hoteleingangs, nur um zwei Minuten später schmunzelnd von der jungen Dame begrüßt zu werden, indem sie überraschend die Tür öffnet. Mein Zimmerfenster guckt genau auf die Tankstelle vor dem Haus (meint: das Dach der Tankstelle nimmt die Hälfte meiner Aussicht ein). Aber das hört sich alles nur schlimm an, ich bin total zufrieden. Badewanne, die Kälte des Tages vertreiben. Supermarkt gleich gegenüber. Endlich (endlich!) mal wieder ordentliches Internet, um die Unterkünfte der letzten Tage zu buchen. 

Ich liebe Autobahnhotels!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen