Samstag, 30. November 2019

Tag 35: Der Sommer ist zurück.

Bye, Andilla.
Montag, 25.11.2019
34. Wandertag
Andilla nach Chelva
8,5h (inkl. Pausen) / 28km
703m rauf / 1.122m runter

Was für ein First World Problem: Schlecht geschlafen, weil die Heizung mich wachgehalten hat. Alle halbe Stunde plätscherte ein kleiner Wasserfall mit warmem Wasser neben meinem Bett durch den Heizkörper, was so ungewohnt war, daß ich die Augen nicht zugekriegt habe. Eigentlich seltsam, normalerweise schlafe ich nach ein paar Wochen Wandern quasi augenblicklich ein, sobald ich mich hingelegt habe. Letzte Nacht traf das eindeutig nicht zu. Und wie man Nachts Heizungen entlüftet, hat mir auch noch niemand erklärt.

Als Ergebnis komme ich am Morgen viel später in die Puschen, als mir das lieb gewesen wäre. Ich hatte mir den Wecker so gestellt, daß ich um 0800 Uhr hätte abreiten können, aber mein unausgeschlafener Unwille hat das erfolgreich verhindert. Also stehe ich erst zur "Standardzeit" um 0930 Uhr auf dem Platz vor meiner Casa Rural und blinzele wie ein Maulwurf in die Morgensonne. Und weil ich so durcheinander bin, laufe ich auch gleich mal den ersten Umweg-Kilometer des Tages, indem ich blind dem lokalen Wanderweg ins Nachbardorf La Pobleta folge, der einen schönen ausholenden Schlenker um den nächsten Berg herum macht.


Die nächste gute Stunde verbringe ich damit, wieder aus dem grünen Talkessel herauszusteigen, in dem Andilla liegt. Ich halte immer hart auf den Gipfel mit den Windrädern zu, der Aufstieg ist steil und als Vormittagsgenuß irgendwie nur bedingt geeignet. Vor allem deswegen, weil mich oben am höchsten Punkt des Tages sofort der kalte Wind in die Faust nimmt und mich zwingt, dringend wieder eine Jacke anzuziehen. Zumindest vorübergehend.

Die kleine Vormittagspause fällt daher zwar idyllisch aus (auf einem kleinen Sattel, an einen Baum gelehnt), kippt aber leicht ins Ungemütliche, als die Sonne für eine halbe Stunde hinter Wolken verschwindet, der Wind immer noch fleißig unterwegs ist und mir langsam kalt wird. Schnell weiter.


Ich ignoriere für die nächste halbe Stunde den GR 7, der unbegreiflicherweise mitten durch das Dickicht auf dem Grund eines zugewucherten Tals entlang führt und bleibe statt dessen auf einer freundlichen parallelen Piste oben am Hang, die mir Aussicht, entspanntes Wandern und bald auch wieder Sonne serviert.

Eine kleine Straßenetappe und ein Aufstieg auf einen kleinen Sattel später finde ich dort einen schönen Platz für eine längere Pause. Der Nachmittag ist inzwischen richtig warm geworden, und ich sitze auf einem Bett aus weichen Piniennadeln, an einen Baumstamm gelehnt und kann mir das zufriedene Grinsen nichts aus dem Gesicht wischen. Goldener Herbst.

Durch das Schotterbett eines Barrancos...
...und wieder hoch auf die Hügel.

Die letzten Stunden des Tages ziehen sich etwas. Im Abstieg runter nach Chelva versucht der Weg krampfhaft, irgendwelche Forststraßen zu vermeiden und scheucht mich statt dessen durch schmale Barrancos, deren Boden mit losem Schotter bedeckt sind; über die nächsten Hügel, um wieder hoch am Hang entlang zu wandern; durch ein schmales sumpfiges Tal, das so dermaßen zugewachsen und überwuchert ist, daß ich mir beim Bushwhacking das laute Fluchen nicht verkneifen kann - es bleibt anstrengend. Aber gleichzeitig auch abwechslungsreich, interessant und einfach ein schönes Stück Weg.


Die Sonne ist schon fast wieder hinter den Bergen verschwunden, als ich Chelva vor mir liegen sehe. Den oberen Rand dominieren noch einige häßliche Wohnblocks, ein ungewohnter Anblick nach den ganzen kleinen Dörfern der letzten Tage. Unten im Ort sehe ich einen abendlichen Jogger in kurzer Hose, alle sind auf den Straßen, sitzen vor den Bars und genießen den milden Abend. Mein Zimmervermieter hat auf mich gewartet und springt vom Fernseher auf, als ich kurz vor 1800 Uhr zur Tür hereinschneie.

Der Abend geht im Wesentlichen drauf für Überlegen und Planen, wie ich die nächsten Tage gestalten soll. Ich hatte heute tagsüber die beiden Übernachtungsmöglichkeiten für morgen abtelefoniert - geschlossen. Wenn morgen Wochenende wäre, hätte wenigstens die Albergue geöffnet, aber is nich. Also muß ich mir Gedanken machen, was sich da improvisieren läßt. Wir werden sehen...

Freitag, 29. November 2019

Tag 34: Ein ganzer Tag bergauf. Wer hat sich denn DAS ausgedacht?

Unter dem sanierten Aquädukt von Bejís kann man toll parken.
Sonntag, 24.11.2019
34. Wandertag
Bejís nach Andilla
8h (inkl. Pausen) / 25km
818m rauf / 707m runter

Als ich am Morgen meine Zimmerrechnung begleiche, sehe ich, daß nur das Frühstück von gestern berechnet wurde. Also frage ich das freundliche Mädel hinter dem Tresen, ob ich auch heute frühstücken könnte und krame vorsorglich schonmal die fälligen 6 EUR aus der Tasche. Sie muß - Tatsache! - erstmal bei der Chefin nachfragen, ob das klargeht - und schon wieder haben die Chefin und ich dieselbe Diskussion um's Frühstück wie gestern. Ich werd verrückt. Aber ich deute stur auf die 6 EUR, die schon vor mir auf dem Tresen liegen und dann ist irgendwann endlich Ruhe. Wird Zeit, daß ich hier rauskomme.

Raus, Taxi, Bejís. Am Ortseingang empfängt mich der Sturm, der aus Norden heranbrettert und mir die Atemluft abschnürt. Ich bringe mich im Bushäuschen in Sicherheit, um erstmal meinen Rucksack neu zu ordnen und mir je Jacke überzuziehen. Mit Blick auf die Karte bleibe ich aber entspannt, den größten Teil werde ich wohl im Windschatten der Berge laufen, als kann der Sturm mich mal.

Als ich durch Bejís laufe, komme ich am Hostal "El Tren Pita" vorbei ( "Der Zug pfeift"; ein etwas ausgefallener Name für einen Laden so weit oben in den Bergen; aber tatsächlich gab es früher eine Bahnlinie hier hoch, die inzwischen längst eingestellt ist. Aber man könnte wahrscheinlich immer noch die Züge unten im Tal von Jérica und Viver tuten hören, wenn der Sturm nicht so pfeifen würde). Die Tatsache, daß ich hier letzte Nacht (=Samstagabend) kein Zimmer mehr bekommen hatte, war der Auslöser für das logistische Taxi-Rumgemurkse der letzten Tage. Insofern bin ich etwas versöhnt, als ich beim Vorbeilaufen verstohlen durch die Fenster spähe: Der Laden ist tatsächlich bumsvoll mit Frühstücksgästen.

 
Unter den Bögen des Aquäduktes von Bejís hindurch schlüpfe ich in die Berge und beginne meinen Aufstieg. Mir ist erst gestern Abend kurz vor dem Einschkafen klargeworden, daß ich heute fast den ganzen Tag nur bergauf wandern werde. Und ganz am Ende steige ich dann den Großteil der gewonnenen Höhenmeter wieder ab. Leichter Widerwillen macht sich breit: Einen ganzen Tag bergauf? Wer hat den so einen Murks zusammengeplant? Mein Grummeln geht zwischen ein paar Windböen unter...

...bajo
...arriba

Möglicher Badespaß im Barranco del Quinón
An den zwei kleinen Bergdörfer Arteas de Abajo und Aretas de Arriba vorbei (nein, nicht Villariba / Villabajo, daran mußte ich als Kind der 90er natürlich auch denken) steige ich auf einer Forstpiste durch ein stilles Tal hinauf. Wird schmaler Pfad. Wird trockenes Bachbett. Wird steiniger Grund eines Barranco. Wird unübersichtlich. Ich fluche zwischendurch kräftig über stachelige Büsche, schlechte bzw. fehlende Wegmarkierungen, die Tatsache daß ich immer noch bergauf laufe und überhaupt. Mir kommen drei Burschen auf Motocross-Maschinen entgegen, der Erste schafft es fast, mich bei der etwas zu forschen Durchfahrt durch die nächste erreichbare Schlammpfütze großflächig einzusauen. Immerhin ist es ihm etwas peinlich und die Jungs verziehen sich runter ins Tal.

Am Nachmittag erreicht mich die Sonne und ich den Sattel, von dem aus ich das erste Mal runter ins Tal nach Andilla schauen kann. Schöne grüne Hügellandschaft, am Horizont Windräder. Der erste Wegweiser seit Stunden zeigt mir noch eine schnelle Alternative an: Auf direktem Wege runter ins Tal in nur 1h. Aber warum sollte ich jetzt schon absteigen, das Wetter wird gerade erst richtig schön. Es hat inzwischen freundliche 14 Grad, die Sonne knallt vom blauem Himmel und der Wind hält sich einigermaßen zurück. Und natürlich steht mir der Sinn nach einer ausgiebigen Nachmittagspause. Die leiste ich mir allerdings erst in einer Stunde, wenn ich oben an der Ermita bin. Dann ist nämlich der Aufsteig endlich geschafft und es geht nur noch bergab. Aber bis dahin sind es auf jeden Fall noch 2h.

Ein Klassiker in Spanien: Der Zaun aus Bettgestellen.
Mitte/Mitte im Tal: Andilla.
Surprise: Das Allrad-Wohnmobil von gestern.


Zwischendurch treffe ich noch das 4x4-Wohnmobil auf dem alten Mercedes-Fahrgestell aus den 80er Jahren, das ich gestern Nachmittag schon auf dem Parkplatz in Jérica gesehen hatte. Ich bin grün und blau vor Neid, so ein Ding hätte ich auch gerne. Ich knipse, winke und ziehe weiter in Richtung Ermita Bardés, um endlich mal wieder Pause machen zu können.


Die Ermita, natürlich abgeschlossen...
Das mittelmäßig einladende Refugio nebenan, natürlich offen...
Ich gönne mir eine gute Stunde Pause, während der ich das goldene Licht der Nachmittagssonne genieße. Die Stiefel lüften einen Meter weiter im Wind, ich lege mich auf die Picknickbank und mache für einen Moment die Augen zu. In der Sonne läßt es sich fast aushalten...

Beim Abstieg runter nach Andilla verliere ich mehrmals den Weg: Einerseits, weil ich schon auf Feierabendmodus geschaltet habe und nicht mehr richtig auf die Wegmarkierungen gucke (und natürlich, weil mir die Sonne ständig direkt ins Gesicht scheint und ich gar nichts sehen kann), andererseits, weil der Weg wirklich mies markiert ist. Ohne den GPS-Track, den ich im Netz gefunden habe, würde ich hier doof dastehen und wahrscheinlich blind auf irgendeiner Forstpiste absteigen.


Mit dem letzten Fitzelchen Licht erreiche ich Andilla. Meine Vermieterin Pepa wartet schon an der Casa Rural auf mich (die auch die einzige Übernachtungsmöglichkeit weit und breit ist), wir erledigen kurz die Formalitäten und währenddessen merke ich, was sie für eine hilfreiche und freundliche Person ist. Sie spricht ziemlich gut Englisch, was mir mit meinem miesen Spanisch total gelegen kommt, und zum zweiten Mal auf dieser Tour fühle ich mich etwas adoptiert, weil sich jemand plötzlich um mein Wohlergehen kümmert. Sie hilft mir noch, eine der Übernachtungsoptionen für die nächsten Tage anzutelefonieren. Richtet schonmal das Frühstück für morgen früh her. Das einzige Restaurant im Dorf hat heute zu, also nimmt mich Pepa mit in die Bar nebenan, stellt mir den Patron Juan vor, klärt ab, daß er dem müden Wanderer später noch einen Teller Abendessen fertigmacht (Eier - Kartoffeln - Würste: Was braucht der Wanderer mehr?) und verschwindet dann lachend in die Nacht. Ich bleibe glücklich und zufrieden zurück, habe alles, was ich brauche und freue mich jetzt schon auf die nächsten Tage.

Donnerstag, 28. November 2019

Tag 33: Kampf um das Frühstück und Brandenburger Landschaften.

Blick zurück auf Torás und seine Pfützen.
Samstag, 23.11.2019
33. Wandertag
Bejís nach Jérica (wieder eine Etappe rückwärts)
5,5h / 20km
445m rauf / 740m runter

Wie kommt man ins 3km entfernte Nachbardorf zur Post? Richtig, zu Fuß. Dafür bin ich ja schließlich ausgerüstet. Ich habe mir für heute früh aus alter Gewohnheit eine kleine Dispo geschrieben, damit alles zusammenpasst:

0800 Wecker
0900 Frühstück
0930 Loslaufen
1015 Post in Viver, Paket packen und wegschicken
1045 fertig mit Post, evtl. noch Supermarkt
1100 Taxi holt mich in Viver ab

Mit so viel Rückversicherung starte ich entspannt in den Tag. Allerdings erwischt mich die Hotelchefin, die mir gestern Nachmittag beim Check-In schon gehörig auf den Wecker ging, beim Frühstück vollkommen auf dem falschen Fuß, indem sie mit mir eine Diskussion anfangen will, daß ich doch bei meiner Onlinebuchung gar kein Frühstück gebucht hätte. Dabei wedelt sie besserwisserisch mit der ausgedruckten Buchungsbestätigung vor meinem Gesicht herum, als ich mich gerade über meine Teetasse beugen will. Sagen wir es mal so: Ich mußte mich in diesem Moment schwer zusammenreißen. Ich drehe den Spieß um und mache ihr klar, daß ich ihr höchstselbst gestern Nachmittag gesagt habe, daß ich gerne frühstücken würde und sie das im Übrigen auch so auf meinem affigen Hotelkärtchen vermerkt hat. Der Frühstückskellner erkennt meine erschreckend kurze Zündschnur in Bezug auf die Dame, trennt uns rechtzeitig, legt mir beruhigend die Hand auf die Schulter und deckt den Tisch. Guter Mann.


Die 3km rüber nach Viver sind eigentlich öde und langweilig, werden mir aber durch einen alten Ford-Traktor mit Anhänger versüßt, der am Rande von Jérica am Straßenrand parkt. Auf dem Anhänger steht ein Faß mit der liebevollen Aufschrift "Mierda", zu deutsch: "Scheiße". Drinnen sehe ich Spuren von irgendwas Schlammigem und entschließe mich, nicht weiter investigativ tätig zu werden. Muß ich trotzdem fotografieren, schön absurd, hebt meine Laune. Mir wäre das ja zu gefährlich, so ein Faß Scheiße im Nacken zu haben, beim Bremsen und so...

Akzeptabler Zweitwohnsitz: Villa Enriqueta.
Bei der Post funktioniert alles, die Postfrau kümmert sich trotz "Lost in Translation" rührend um mein Paket, mein Rucksack ist ab sofort 4,5kg leichter und hat gefühlt nur noch halb so viel Volumen. Und ich muß ab sofort nicht mehr über Zelten nachdenken, weil ich kein Zelt mehr dabei habe. Es ist noch genug Zeit für eine Rutsche in den Supermarkt und eine Besichtigungsrunde der örtlichen Panaderias, die kleinste und versteckteste Bäckerei ist wie immer die Vollste (und damit die Beste) und verkauft mir nicht nur Empanadas, sondern auch ein Stück warme Pizza.

Das bestellte Taxi und ich finden uns auf Anhieb und 20 Minuten später stehe ich am Kreisverkehr in Bejís und mache mich auf den Fußweg zurück nach Jérica. Wieso drehe ich den Tag nochmal um und laufe quasi rückwärts? Weil es viel einfacher ist, sich für den Morgen für eine feste Uhrzeit eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren als "irgendwann am Nachmittag", keine Ahnung wann ich ankomme, keine Ahnung, ob das Taxi dann überhaupt gerade Zeit hat. Ist ja nicht so wie in Berlin, daß man da große Auswahl hätte.


Dieses Haus ist doch wohl ein Witz, Spanien!

Für den Weg zurück nach Jérica habe ich den GR 231 gefunden, ein markierter regionaler Wanderweg. Er führt mich auf schlammigen Wegen (der Regen von gestern Nacht wartet quasi hämisch in Form von Matsch und Schlamm auf mich) über Torás und Teresa wieder zurück nach Jérica. Es ist bewölkt und windig, die erste Pause mit Aussicht auf Torás mache ich nicht, weil ich Bock auf Pause oder Sitzen hätte (dazu ist es irgendwie zu ungemütlich), sondern weil ich auf das Pizzastück im Rucksack scharf bin. Der Wind pfeift von vorne und ich mache erstmal gründlich Inventur, was eigentlich noch alles in den viel zu schweren Proviantbeuteln rumlungert. Wahnsinn. Das reicht für ne Woche...!

Teresa. Wer nicht hier war, hat nix verpasst.
Irgendwann verdrängt die Sonne die diffusen Wolken und es wird ein schöner Nachmittag. Ich laufe durch Olivenhaine und Weinreben, mal ein paar Meter rauf, dann ein paar Meter runter. Ich packe mir Musik in die Ohren und genieße es, einfach ohne Anstrengung durch die Landschaft zu gleiten.

Es wird flacher und sandiger, wenn man die Augen ganz fest zukneift, könnte man sich an manchen Stellen auch einreden, daß man gerade in Brandenburg ist. Naja, eigentlich gar nicht, Spanien ist immer noch Spanien. Pinien gibt es zwischen Neustrelitz und Cottbus auch nicht so oft, aber der eine Sandweg, über den ich laufe, triggert irgendwie eine Erinnerung an Brandenburger Wege durch leere Landschaften.

Brandenburg.

Noch eine halbe Stunde am Fluß entlang, dann stehe ich wieder am Rand von Jérica. Irgendein Event muß hier gerade abgehen, tonnenweise Kinder mit Eltern in Wanderklamotten stehen an Easy-Up-Zelten an und holen sich entweder Startnummern ab oder nehmen Urkunden entgegen. Ich weiß es nicht, ich zuckele lieber rüber in mein Hotel, werfe die Dusche an und sinke angenehm ermattet in den Restnachmittag.

Abends noch auf ein paar Bier in die Bar, ein Abendessen hinterher, und ich bin zufrieden.

(Nachtrag: Bitte achten Sie beim letzten Bild auf den LKW mit dem grauen Aufbau, der sich hinter dem grünen Container versteckt. Morgen werden Sie wissen, warum...)

Mittwoch, 27. November 2019

Tag 32: Überführungsetappe mit kurzen Zivilisationsbesuch.

Freitag, 22.11.2019
32. Wandertag
Puerto de Arenillas nach Jérica
3,5h (inkl. Pause) / 16km
128m rauf / 541m runter

Samesame but different. Gleiches Taxi zum Paß, gleicher Fahrer - aber diesmal ziehe ich in die andere Richtung los, weiter grob mit Peilung Süden, nach Caudiel und Jérica. Der Himmel sieht mies und nach Regen aus. Auf dem Tableau der Wettervorhersage ist heute der einzige Tag weit und breit, der schon seit einer Woche fest mit Regen rechnen darf. Ab Mittags soll es durchgehend regnen. Da kommt es mir ganz gelegen, daß die heutige Etappe nahezu lächerlich kurz ist. Vielleiiiicht schaffe ich es ja vor dem Regen -- aber was soll das eigentlich; wenn ich naß werde, werde ich eben naß.

Weil ich heute morgen aus einer Laune heraus nicht gefrühstückt habe, mache ich im Tal hinter dem ersten Bauernhof sofort die erste Pause und mampfe die Empanadas, die ich mir von gestern Abend noch aufgespart habe. Ein starker Start in den Tag. Aber nach einer halben Stunde bekomme ich ein schlechtes Gewissen mir selbst gegenüber, hier so entspannt rumzusitzen. Nicht, daß ich mich später noch drüber ärgere, wenn ich im Regen stehe.

An einer Weggabelung zweigt der GR7 nach Westen ab, ich folge heute statt dessen dem Camino del Cid nach Süden. Passt mir ganz hervorragend, denn ab der Weggabelung verläuft sich der GR7 sofort unsichtbar im Unterholz und Gestrüpp, der deutlich neuere (und wahrscheinlich auch stärker beworbene) Camino del Cid ist ein entspanntes kleines Schotterband durch die Hügel, Hänge und Olivenhaine der nächsten Stunde. In der Ferne sehe ich in blaugrau die nächsten Bergketten, also meinem Spielplatz für die nächsten Tage. Unten im Tal dröhnt schon die Infrastruktur, ich höre und sehe Güterzüge, eine Autobahn und LKWs. Reichlich ungewohnt nach den ländlichen und weltentrückten Bergetappen der letzten Woche.

Torre del Molino, Caudiel
Für die diversen Picknick-Areas an den Rändern von Caudiel habe ich nur ein müdes Lächeln übrig, ich will gerade gar nicht sitzen. Ich muß auch nix Einkaufen, denn der Rucksack ist voll, daher schlüpfe ich durch Caudiel durch wie eine Fliege durch einen Busch, reihe mich auf der Via Verde ein (ja, schon wieder eine ehemalige Eisenbahnstrecke...) und mache mich auf den Weg, den kleinen Klacks Restetappe für heute fertig zu laufen.

Berliner, seid unbesorgt. Auch hier wird es langsam Herbst.
Nebenan fahren noch echte Züge.
Zum Abschluß (und als einziges Highlight des Tages) gibt es noch einen knapp 1km langen Tunnel, der dankenswerterweise beleuchtet ist. Drinnen ist es feucht und kalt, von der Decke tropft das Wasser und an den Wänden formen sich im Dunkeln tropfsteinartige Beläge. Das Echo ist hervorragend, ich habe es mehrfach überprüft. Obendrüber verläuft die erwähnte Infrastruktur: Autobahn, Schnellstraße, Bahnlinie und die ersten Häuser von Jérica.


Auf den letzten 200 Metern überholt mich plötzlich ein alter Mann, mein Wanderstolz ist zutiefst verletzt; erholt sich aber gleich wieder, als wir noch ein bißchen in den Nachmittag hineinplaudern. Zumindest im Rahmen meiner spärlichen sprachlichen Möglichkeiten. Der große Rucksack taugt offensichtlich immer wieder als Firestarter für neugierige Fragen, wo ich den hin will.

Bevor ich ankomme, mache ich noch schnell einen Schlenker zur örtlichen Postfiliale. Ich will endlich mein Campingzeug verpacken und nach Hause schicken, ich bin mir inzwischen sicher, daß ich das Zelt nicht mehr benutzen will. Mir ist es zu kalt in den Nächten (bzw. mein Schlafsack zu dünn dafür) und vor allem - und das ist eigentlich noch viel ätzender - wird es am Abend gegen 1730 Uhr dunkel und am nächsten Morgen gegen 0730 wieder hell. Das wären dann 14 langweilige Stunden im dunklen Zelt. Ich verzichte...
Die Post in Jérica enttäuscht mich allerdings mit wahnwitzigen Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 1200 bis 1245. Richtig, täglich eine Dreiviertelstunde. Die Bäckersfrau nebenan, bei der ich mir einen Trostsnack kaufe, hat meinen vergeblichen Postversuch durchs Schaufenster genau mit angesehen, kommentiert ebenfalls mit Unverständnis die Öffnungszeiten und verweist mich an die Post im Nachbardorf.

Den Nachmittag verbringe ich neben Ankommen, Nickerchen und Nachmittagsbier mit Recherchen und der Detailplanung, wie ich morgen zur Post ins 3km entfernte Viver komme, um dort die Dienste der spanischen Post in Anspruch zu nehmen und danach noch meine geplante Etappe zu laufen. Hrmpf.

Den Regen habe ich heute übrigens elegant verpasst. Keinen einzigen Tropfen habe ich auf den Kopf bekommen, erst am späten Nachmittag beginnt es zu regnen, als ich schon längst auf Stube sitze und entspannt aus dem Fenster gucken kann. Als Ausgleich regnet es dann aber auch den ganzen Abend und voraussichtlich auch die ganze Nacht...