19. Wandertag
Belchite nach Lécera
4,5h (mit Pause) / 16km
220m rauf / 127m runter
Wir frühstücken spät und lassen uns Zeit beim Losgehen. Draußen erwarten uns wieder Sonne und Wind satt. Ein kleiner Provianteinkauf beim Coviran, dann kann's losgehen. Herr Müller hat sich die Stange Brot sehr apart hinten auf den Rucksack geschnallt.
Hinter einem sehr schönen Schild "Las Favelas" laufen wir durch den sich ausdünnenden Rand von Belchite. Müll, Glasscherben und ausrangierte Sofas links und rechts. Westlich des Ortes führte bis in die 50er Jahre eine kleine Eisenbahnstrecke vorbei, die Kohle aus weiter südlich gelegenen Bergwerken bis nach Zaragoza transportiert hat. Die ehemalige Bahnstrecke wird heute unser Weg nach Süden werden. Am Rande von Belchite geht's aber erstmal nicht weiter, von der alten Brücke über den Rio Aguavivas stehen nur noch die Pfeiler. Also mogeln wir uns außenrum, unterhalb der Ruinen der Altstadt rüber zur Landstraße, laufen ein bißchen den LKWs entgegen und biegen dann neben dem Friedhof auf eine vergessene und langsam zuwachsende Asphaltpiste ein.
Dann rauf auf den Bahndamm. Manchmal noch deutlich erkennbar, manchmal nicht mehr als eine Traktorspur in der trockenen Erde. Ein paar Einschnitte, die die Trasse quer durch kleinere Hügel führt, zeugen deutlich von der alten Streckenführung. Links haben wir Aussicht über die Felder bis weit ins Land hinein, die Hügel rechts dienen den heraufziehenden Wolken als Auftrittsbühne. Während wir blinzelnd in die Sonne wandern, schätzen wir heute ständig ab, ob uns eine der dicken Schauerwolken erwischen wird, die der ständig pfeifende Wind immer mal wieder herandrückt.
Wir finden im Windschatten hinter ein paar Sträuchern einen guten Platz für eine ausgiebige Mittagspause. Zu Aussicht und Sonne gibt es Brot, Oliven, Wurst, Schokolade und ähnliche Zutaten. Wir können den Ameisen dabei zuschauen, wie sie in Windeseile unsere Brotkrümel finden und triumphierend nach Hause tragen. Herr Müller wird genötigt, noch die letzte verbleibende Bierdose zu leeren, die er gestern Abend verschmäht hat. Nach einer Stunde ziehen wir weiter auf dem Bahndamm durch die Hügellandschaft. Bald öffnet sich die Sicht auf ein neues Tal, in dem die Flächen etwas überschaubarer und weniger endlos werden. Ein paar Felder mit alten Weinstöcken, ein Bauernhof mit einem kleinen Wäldchen nebendran, dazu das Licht der tief stehenden Sonne, die erheblich zur Dramatik beiträgt.
Wir verlassen den Bahndamm, der auf vielen Feldern von den Bauern weggepflügt wurde und peilen den Kirchturm von Lécera an. Die Sonne steht schon knapp über dem Horizont, in einer Stunde wird es dunkel. Immerhin haben wir es geschafft, uns zwischen allen Schauerfronten hindurch trocken durch den Tag zu mogeln. Das hätte auch anders ausgehen können... Die letzten Kilometer bis Lécera sind wieder fast wüstenartig, wir erreichen in der Dämmerung das Dorf. Unsere Unterkunft für heute Nacht ist eine prächtige Casa Rural am Dorfplatz neben der Kirche, der Eigentümer Jesús empfängt uns und zeigt uns erstmal das Haus. Tolle Räume, Mosaikböden, schwere Möbel, ein Badezimmer mit freistehender klassischer Badewanne. Draußen rüttelt weiter der Wind an den stillen Haustüren des Dorfes, es ist nach Sonnenuntergang schnell kalt geworden, vielleicht noch so 9 Grad. Jesús versorgt uns mit Abendessen, wir uns mit Bieren aus dem Gästekühlschrank.
Eine großartige Etappe, auch wenn ich mit dem theoretischen Blick auf die Karte vorher immer gedacht habe, daß heute ein furchtbar öder Tag werden würde. Aber wahrscheinlich haben uns Wolken und Sonne einfach schwer in die Hände gespielt.
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