26. Wandertag
Morella nach Ares del Maestrat
8,25h (mit Pausen) / 26km
859m rauf / 602m runter
Mir kribbelt's unter den Fußsohlen. Schnelles Frühstück, schnell noch ein Brot aus der Panaderia, am blauen Himmel regiert die Sonne und es ist mit -2 Grad ordentlich kalt.
Eingekauft hatte ich schon gestern Abend, also schlüpfe ich durchs Stadttor, biege sofort auf einen alten Fußpfad ab, der mit alten abgewetzten Steinen gepflastert ist und laufe mit Morella im Rücken auf die nächste Bergkette zu. Landstraße überqueren, kleinen Fluß überqueren, dann schräg den Berg hoch, mit ordentlich Aussicht zurück. Ich bin total euphorisch, daß es jetzt weitergehen kann. Außerhalb der Altstadt merke ich, daß natürlich auch wie in den letzten Tagen der Wind wieder da ist und er findet bei den kalten Temperaturen echt jede Lücke zwischen den Klamotten. Der Boden ist leicht angefroren, die Kuhfladen tragen kleine weiße Häubchen aus Raureif. Ich treffe auf den ersten Zaun des Tages, der die unzähligen Weiden für die Kühe, Schafe, Pferde, Ziegen undwassonstnochsoalleshierobenwohnt absteckt und fummele mir einen Ast, um mit den Handschuhen die Drähte zu lösen, mit denen der Durchlaß im Zaun zugepfriemelt ist. Das wird mir heute noch Dutzende Male passieren und dieser Etappe die passende Überschrift verleihen...
Hinter dem Sattel muß ich endlich nicht mehr im Schatten laufen sondern kann die Sonne im Gesicht genießen; in der Ferne sehe ich, daß die Hänge im Süden weiß überzuckert sind. ZAUN. Die Landschaft sieht plötzlich vollkommen anders aus als das übersichtlich Tal unterhalb von Morella, eine abgeschiedene kleinteilige Hügellandschaft, dazwischen uralte Viehpfade und Hohlwege, die zwischen den verschiedenen Weiden hindurch führen. Das klingt rstmal romantisch, ist aber gerne mal ein Kampf, denn diese Wege sind meist halb zugewachsen und die dornigen Sträucher haben meinen Rucksack und meine Jacke fest im Griff. Gut, daß meine Regenjacke schon lange nicht mehr wasserdicht ist - spätestens jetzt wäre es sowieso vorbei gewesen. ZAUN. Irgendwann kürze ich über eine Schlammpiste und einen Bauernhof ab, um dem Kampf der Stacheln zu entgehen.
Weg? Geradeaus. |
Hinter dem Bauernhof öffnet sich die Landschaft, ein Feldweg führt runter zur Straße. ZAUN. Hinter der Straße hat sich der GR7 das bisher ätzendste Stück ausgesucht, zwischen zwei ordentlich bestellten Feldern liegt ein verwilderter Streifen, halb Bachbett, halb Hohlweg, abgegrenzt von alten Steinmauern. Hier geht's mitten durch. Hüfthohes Gras, alles was stachelt und piekst, dazu kläffende Hunde von links und rechts. ZAUN. Nicht gerade eine Sternstunde des entspannten Wanderns.
Ne Machete wär geil... |
Die nächste Hügelkette will überquert werden und sie macht freundlicherweise Platz. ZAUN. Die Wege werden wieder breiter, die Steinmauern höher, manchmal ist der Boden der nackte, fast ebene Fels. Beim nächsten ZAUN schaffe ich es, mich so dämlich mit dem Rucksack im Stacheldraht zu verhaken, daß ich mit einer eleganten Drehung den Rucksack absetzen muß, um mich wieder zu befreien.
ZAUN. Im nächsten Tal verliere ich mal wieder den Weg, weil ich nicht aufpasse, aber das bedeutet einfach nichts anderes, als daß ich eben über einen ZAUN mehr klettern muß als vorgesehen. Die Zäune sind eigentlich nicht schlimm, den Bauern ist durchaus bewußt, daß hier ein Wanderweg durchgeht und sie haben deshalb irgendwelche improvisierten Tore eingebaut. Aber im Laufe des Tages stehe ich gefühlte Ewigkeiten an irgendwelchen ZÄUNEN und bastele Draht, Knoten, Schlaufen und Haken auf und wieder zu. Das versaut mir noch den ganzen Schnitt! (Endlich konnte ich DEN alten Kracher mal wieder bringen...)
In einem kleinen tief eingeschnittenen Tal finde ich ein windgeschütztes Plätzchen in der Sonne und mache erstmal ausgiebig Mittagspause. Beim Sichten meiner Vorräte bin ich entsetzt, wieviel ich dabei habe -- offensichtlich haben die freien Tage in Morella dazu geführt, daß ich mich an das Waren-Überangebot des Supermarktes gewöhnt habe. Und daran, daß immer alles da ist. Ich habe viel zu viel Essen dabei. Also mampfe ich fleißig weg, und danach ist der Proviantbeutel immer noch tonnenschwer. Daran werde ich noch locker 3 Tage essen...
Die Schotterpiste schlängelt sich hoch in die nächste Hügelkette (ZAUN), durchquert dabei ca. 8x das Schotterbett eines trockenen Barrancos, vorbei an Terrassen und Kühen, ZAUN, hoch zum Plateau des verhutzelten Bergbauernhofs Mas del Campello. Aus der Entfernung sieht er noch aus wie verlassen und zur Ruine verfallen, aber hier scheint ab und zu Leben zu sein. ZAUN. ZAUN. Immerhin ein angebundener Wachhund (der wahrscheinlich nur alle 1-2 Tage mal gefüttert wird), ein schief im Wind hängender Basketballkorb für die Enkel, wenn sie im Sommer mal für's Wochenende hochkommen, von tausenden Schafen zertretene Wiesen. Und Sonne, Wind und Aussicht.
ZAUN. Der Abstieg führt freundlicherweise durch einen Tunnel aus Unterholz, der eindeutig für Träger von kleineren Rucksäcken ausgelegt ist. Ich bleibe wieder ständig hängen, vertraue auf Geduld und Sanftmut und kämpfe mich bis zur nächsten Piste durch, der ich dann bis runter ins Tal folge. Sieht ja schick aus, so quer durch den Wald, aber für einen alten Herren wie mich ist das nix. ZAUN. Bauernhof. ZAUN. Feldweg. ZAUN. Straße. ZAUN. Wasserreservoir. ZAUN. Es nimmt kein Ende...
Ein letztes Mal für heute schwingt sich der Weg die nächste Hügelkette hoch, mir ist inzwischen empfindlich kalt geworden. Wahrscheinlich habe ich heute unter der Jacke einfach nicht genug Lagen Klamotten angezogen, also mache ich mir eine Notiz für morgen, daß mir das nicht wieder passiert. Ich würde gerne gesund bleiben. ZAUN. Beim Aufstieg wieder Terrassen, Schafe und der ganze Schabäng.
Blick zurück auf die bisherigen Hügelketten von heute. |
Hinter dem Sattel öffnet sich das Panorama plötzlich dramatisch. Den letzten ZAUN des Tages lasse ich bei der Gelegenheit auch gleich hinter mir. Auf zig Kilometer breitet sich ein Bergpanorama vor mir aus. Rechts um die Ecke liegt Ares (mein Ziel für heute), beim paar Kilometer weiter kann ich schon die Dörfer an den Hängen als Stationen der folgenden Tage aufzählen. Benassal, Fuentes en Segures, Culla, dann weiter ins nächste Tal. In einer halben Stunde geht die Sonne unter, kurz vorher lugt sie nochmal schräg unter den Wolken hervor und malt ein herrliches Licht auf die Berge und Täler.
Ares del Maestrat |
Wer bei dem letzten Bild genau hinschaut, kann den Schatten von Ares auf dem gegenüberliegenden Hang ausmachen. Rechts der quadratische Felsblock, auf dem früher das Castillo stand, links daneben die Kirche, dann die kleinen Häuser.
Ares gefällt mir genauso gut wie die letzten zwei Kilometer Anmarsch. Hoch auf einem Sattel zwischen einem Tafelberg und dem Felsblock des Castillos gelegen, sieht es so aus, als würden sich die Häuser verbissen an den Hang klammern. Ich komme mit dem letzten Licht des Tages an und drehe noch begeistert eine Sightseeing-Runde durchs Dorf, bevor ich an dem kleinen Platz mit dem kleinen Hotel ankomme. Freundliche Leute, gut geheizt. Die Badewanne ist nach dem kalten windigen Tag genau das Richtige, später sitze ich neben dem bollernden Ofen beim Abendessen, das vorzüglich ist. Weil ich meine Spanischkenntnisse mal wieder vollkommen überschätzt habe, schaffe ich es zwar, daß die Hälfte meines Hauptgerichtes aus Schnecken besteht, aber der Rest war wirklich lecker.
Großartiger Tag, großartige Dörfer. Vielleicht das Schönste, was ich bisher in Spanien gesehen habe. Schwer zu empfehlen!
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