Der etwas komatöse Park, der Alt-Zuera und Süd-Zuera verbindet. |
15. Wandertag
Zuera nach Villanueva de Gállego
4,25h (inkl. Pausen) / 18km
113m rauf / 184m runter
Komische Nacht, ich habe mich stundenlang gewälzt. Vielleicht ist das Raucherzimmer schuld, in dem ich gelandet bin. Die alte Dame, die mir das Zimmer vermietet hat, hatte mich bei der Schlüsselübergabe noch irgendwie vor "Rauchen" gewarnt, ich hatte ihr eilig versichert: Kein Problem! Ich rauche nicht... Erst im Laufe des Abends habe gemerkt, wie stark das Zimmer nach Rauch von früher riecht, aber Schuld ist hier ganz klar nicht die Vermieterin, sondern mein mieses Spanisch.
Wie gestern finde ich schon 100m nach meiner Hostaltür die erste Panaderia und kaufe zur Abwechslung mal Schokobrötchen. Der Rucksack ist ansonsten schon schwer genug, die Vorräte sind aufgefüllt. Wo sonst das gechlorte hellblaue Leitungswasser meine Flaschen füllt, gluckert heute das gute Kas Limón und wartet darauf, daß ich Pause mache und meine zuckersaure Lieblingslimonade schlürfe.
Zuera blutet an seinem Rand etwas aus, ein großes Wohngebiet im Süden wurde mit zahlreichen Straßen erschlossen, aber nur von ganz wenigen einzelnen Häusern bebaut, die zum guten Teil auch schon wieder zum Verkauf stehen. Damit der neue Stadtteil mit dem alten Zuera zusammenwachsen kann, wurde ein Park spendiert, der quasi zusammen mit dem Fluß fließt und die beiden Zentren verbinden soll. Da kaum jemand in Zuera-Süd einziehen mag, ist natürlich auch der Park wie ausgestorben und flattert im Herbstwind so vor sich hin. Manchmal erregt Spanien und dieser Zustand der verpufften und verpulverten Investitionen einfach nur Mitleid in mir.
Meine Laune hebt sich ganz entschieden, als ich durch den Tunnel unter der Bahnstrecke nach Zaragoza laufe. Jemand hat "Polska!" an die Tunnelwand gesprüht, was ich schon fast mit einem heimatlichen Gefühlen verbinde, außerdem passt es wunderbar nahtlos zur Produktauswahl des Supermarkts von gestern Abend. Also: Polska! Als ich gerade durch den Tunnel durch bin, höre ich von hinten einen Zug heranrauschen und freue mich schon, noch einen der spanischen Hochgeschwindigkeitszüge vor die Linse zu bekommen. Quasi um dem Aufschwung meiner Laune noch eins draufzusetzen, weil das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz ja durchaus ganz ordentlich funktioniert und eben keine Investitionsruine ist. Aber statt dessen kommt nur mit großem Geklapper eine Elektritschka vorbeigezuckelt. Ok, lassen wir das... Einfach Weiterlaufen.
Für alle, die sich langsam fragen, wie lange ich diesem dämlichen Rio Gállego denn noch folgen will: Bis morgen. Dann biege ich ab in Richtung Ebro, dem nächstgrößeren Fluß, der dann irgendwo da hinten ins Mittelmeer fließt. Ich peile mich ab morgen grob Südosten und arbeite mich langsam wieder in die Berge hinein, die ich am südlichen Horizont schon sehen kann. Dann kann ich endlich wieder über x Höhenmeter Aufstiege schimpfen...
Auf dem Schotterweg vor mir treffe ich auf den Tiefpunkt des heutigen Tages: Ein Tor, das mit eindeutigen Schildern meinen ausgedachten Weg versperrt. Man könnte jetzt ganz locker links oder rechts drumherum gehen, denn da ist kein Zaun. Aber da hinter den Bäumen beobachtet mich schon das Haus, das diese Schilder wahrscheinlich aufgestellt hat. Also atme ich ein "Na guuuut..." aus, biege spontan irgendwo anders ab und treffe statt dessen eine halbe Stunde später eine Ziegenherde mit einem aussergewöhnlich freundlichen Hütehund.
Die Landschaft zwischen dem Rio Gállego und den Hügeln im Westen bleibt flach und wird immer staubiger. Eine alte Ruine mit Palme ist eine der wenigen optischen Ablenkungen während der letzten Stunde dieser Etappe, danach kommt lange nix. Außer Wind und Sonne.
Die Straßen von Villanueva de Gállego sind eine nette Abwechslung, es gibt Schatten und Menschen und Bars und Bewegung. Als ich an einem Dönerladen vorbeilaufe, überfällt mich ein seltsamer Heißhunger auf Döner und/oder Falafel, aber irgendwie kann ich das unterdrücken. Später vielleicht... Meine Unterkunft für heute Abend ist ein Hotel im Gewerbegebiet, von meinem Fenster aus kann ich auf den Parkplatz und die Autobahnauffahrt gucken. (Aber macht nix, ich hab ja sowieso ein Faible für so seltsame Hotels an trüben Orten.) Obwohl ich nach dieser Etappe in Sonne und Wind froh bin, in ein dunkles kühles Zimmer zu kommen, muß ich mehrfach glücklich ächzen, als ich mich in die heiße Badewanne gleiten lasse.
Später entere ich noch den Supermarkt gleich nebenan, hier kriege ich alles, wonach es mir seit Tagen gelüstet hat. Selbst diesen ganz bestimmten Zitrone-Ingwer-Joghurt, nach dem ich hier in jedem Laden gucke und den es so selten gibt. Morgen ist Feiertag und die Läden haben zu, also decke ich mich gleich noch mit ein bißchen Proviant mehr ein. Den Abend verbringe ich in aller Ruhe und Anonymität auf Stube, was mir heute irgendwie gut gefällt. Wenn ich was von der Welt sehen will, gucke ich ab und zu mal aus dem Fenster auf den Parkplatz und die Autobahn...
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