Montag, 4. November 2019

Tag 14: Die Versöhnung (oder: Pause im Schatten).

Mittwoch, 30.10.2019
14. Wandertag
Gurrea de Gállego nach Zuera
6,5h (mit Pausen) / 22km
115m rauf / 155m runter

Meine gestrige Versöhnung mit Gurrea de Gállego wird heute morgen schon belohnt, als ich gerade loslaufe. Auf der Straße treffe ich nacheinander zwei Herren, die gestern Abend neben mir am Tresen saßen, wir verabschieden uns kopfnickend und ich kann mich ein bißchen so fühlen, als würde ich dazugehören. Und zur Krönung stolpere ich gleich noch über/in die örtliche Panaderia, frisches Brot und zwei Croissants. Plausch mit der Bäckersfrau, Plausch mit der nächsten Kundin, wieso sind alle heute so sonnig?!

Glücklich über die Croissants im Rucksack freue ich mich schon auf einen schönen Platz für das 2. Frühstück. Dabei merke ich, daß mir eigentlich nach was ganz Anderem gelüstet: Einem richtigen Supermarkt. Ich habe seit einer Woche keinen Laden gesehen und habe schon leichte Visionen von mir vor dem Joghurtregal, der Obsttheke, der Getränkeauswahl. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich dieses Verlangen heute Abend in Zuera stillen kann -- Zuera scheint im Vergleich zu meinen letzten Dörfern eine richtige kleine Stadt zu sein.

Aber erstmal los in den Nebel, raus aus dem Dorf. In den letzten Hügel vor den Feldern haben die Einwohner von Gurrea ihre kühlen Keller nach unten in die Erde gefräst, die uralten Türen haben noch komplett handgebaute Schlösser mit Schlüssellöchern, die so groß sind wie meine Hand.


Auf den Feldern sehe ich im Dunst die Umrisse von kleinen Wäldchen und die Dunstglocke über dem Fluß, während sich die Sonne stetig nach vorne kämpft. Heute Nachmittag sollen es wieder um die 22 Grad werden, aber noch ist es - vor allem im Schatten, wo die Sonne heute noch nicht war - empfindlich kalt und winterlich naß. Ich laufe durch Gärten und kleine Felder, die als Gemüsegärten genutzt werden und ordentlich abgesteckt und umrandet sind. Überall sehe ich Bewässerungskanäle, Absperrschieber und Überläufe, mit denen das Wasser des Rio Gállego verteilt wird. Nach einer knappen Stunde führt mich der Weg wieder aus dem Flußtal heraus, die nächsten Stunden werde ich direkt oberhalb der Abbruchkante dem Rio Gállego folgen. Ein herrlicher Weg: Links die Felder, abgetrennt von Hecken oder Baumreihen, mein Weg wird von den Bauern nicht benutzt, weil sie auf anderen Pisten viel schneller auf ihre Schläge kommen. Rechts ständig Aussicht auf das Flußtal, aus dem zuverlässig die Spitzen der herbstgelben Bäume herausragen.


Der Weg biegt wieder auf die Felder ab, ich laufe an einem langen Zaun vorbei, der als Zaunpfähle alte verwitterte Bahnschwellen benutzt. Ich muß nicht lange darüber nachdenken, wo die wohl herkommen. Auf der gestrigen Etappe lagen immer noch viele dieser alten Schwellen auf dem aufgegebenen Bahndamm, ausgetrocknet und zersplittert von der Sonne.
Auf der anderen Seite des Rio Gállego schiebt sich eine Kirche ins Bild, die sich einen feinen Standort ausgesucht hat. Über gelben senkrechten Klippen sitzt die Ermita de Nuestra Señora de Salz wie die Kommandobrücke auf einem Raumkreuzer und würde sicher gerne von mir besichtigt und fotografiert werden, aber hier hat's keine Brücke. Also muß ein schlimmes Foto mit dem Digitalzoom meines Telefons herhalten. (Dabei zeigt mir eine kurze Google-Bildersuche am Abend, was ich bei dieser Kirche verpasst habe...)


Bis zum Nachmittag ist es wirklich warm geworden, Pause mache ich inzwischen schon lieber wieder im Schatten, dafür aber ausgiebig. Mein heute knapp eingeteiltes Wasser habe ich gute 1,5h vor Ankunft schon ausgetrunken. Aber egal, das macht das Ankommen nur noch schöner...
Kurz vor Zuera schiebt sich erst links die Autobahn ins Bild, dann rechts die Schnellstraße mit Gewerbegebiet. Mittig kommt dann noch die Flüssiggas-Umfüllanlage dazu, die riesigen Getreidesilos mit Bahnanschluß. (Ich staune schon fast, daß ich nach Dutzenden Kilometern auf und neben aufgegebenen und ehemaligen Bahnstrecken endlich mal wieder eine richtige, aktive Bahnstrecke sehe...) Noch durch einen Tunnel unter der Autobahn hinweg, durch ein stillgelegtes Kieswerk gemogelt und schon stehe ich am Rand von Zuera. 


Wo ich heute schlafen werde, weiß ich noch gar nicht, aber das hatte mir heute auch keine Sorgen bereitet. a bietet mindestens drei Hostals und ein Hotel (der Schuppen gegenüber des Hotels war sicher mal als wohlmeinende Werbung gedacht). Da wird sich schon was finden. Das Hotel lasse ich links liegen, auch weil es von außen mit seinen silbernen Lüftungsrohren aussieht wie ein Krypto-Sarg. Auf der Brücke über den Rio Gállego kommt mir ein Polizeiauto entgegen, das die Eskorte für die nachfolgende Schafherde bildet. Der gute Herr Beamte findet es gar nicht witzig, daß ich ein Foto von seinem Auto mache und blafft irgendwas herüber. Aber als Tourist muß ich solche Fotos doch machen!

Ich biege in die kleinen Gassen von Zuera ab. Gleich die Zweite rechts ist eine kleine Straße mit dem großen Namen "Calle de la Corona de Aragón" (zu deutsch: Straße der Krone Aragoniens). Bißchen hoch gegriffen für die vorstädtischen Neubauten, aber wem's gefällt...

Gleich das erste von den drei Hostals hat ein Zimmer für mich, die Wirtin und ich wurschteln uns so mit Händen und Füßen durch. Sie öffnet die Tür direkt hinter der Rezeption: Voila, mein Zimmer. 25 EUR.

Später am Abend kann ich meinen Supermarkt-Traum wenigstens so halb verwirklichen und mir im CoAliment zwei Straßen weiter alles an Getränken zusammenkaufen, wonach mir der Sinn steht. Ich muß mir eine Träne der Rührung aus dem Auge wischen, als ich feststelle, daß mindestens ein Drittel der Produkte aus Polen kommen. Es gibt sogar meine Lieblings-Snack-Kabanos! Heute Abend bleibt die Küche kalt, es gibt Brot und Bier!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen