Donnerstag, 14. November 2019

Tag 23: Wieder alleine unterwegs...

Samstag, 09.11.2019
23. Wandertag
Alcorisa nach Aguaviva
7,5h (inkl. Pausen) / 24km
535m rauf / 600m runter

Heute hatte ich mir eigentlich schwer vorgenommen, vor dem Loslaufen nichts mehr Einzukaufen. Nach der Proviant-Umverteilung von gestern Abend habe ich das Gefühl, daß der Rucksack 5kg schwere ist als sonst, also muß erstmal gegessen werden, was noch da ist. Wie um an meinem frisch gefassten Vorsatz zu rütteln, serviert der schlecht gelaunte Hostal-Wirt beim Frühstück überraschend  vorzügliche Croissants, wie sie zarter und saftiger kaum sein könnten. Sofort träume ich davon, die örtliche Bäckerei leer zu kaufen. Nur unter Aufbietung größter Kräfte kann ich mich davon abhalten.

Aber erstmal muß sowieso Monsieur Müller verabschiedet werden. Wir stehen am Platzerl und warten auf seinen Bus nach Barcelona. Dort hat Monsieur sich noch eine Nacht Tourismus verordnet, bevor er sich wieder in sein Leben in Berlin eingliedert. Ich trauere um den Verlust meines Mitwanderers, gleichzeitig freue ich mich auch ein bißchen, daß ich wieder alleine unterwegs bin. Aber das weiß Monsieur Müller auch.

 
 

Also los. Vorbei an der örtlichen Disco (verflucht, haben wir gestern verpaßt!), der Parade der kommunalen Gebäude, die in den Berg gefräst wurden (Kulturzentrum, Sportzentrum, Plaza del Toros), der sehr schlichten und mit unbefriedigender Aussicht ausgestatteten Ermita del Calvario. Aber gleich hinter dem kleinen Paß bin ich raus aus dem Ort, um mich herum nur noch Hügel, kleine Felder, Wald und ein paar Ruinen. Der Wind hält sich heute vornehm zurück, so daß ich noch ein bißchen was von der wärmenden Herbstsonne spüren kann. So werden auch die 8 oder 9 Grad am Vormittag ganz erträglich - allein die Abwesenheit des beißenden Winterwindes von gestern sorgt schonmal für blendende Laune.


Zwischen den kleinen Feldern sehe ich in den letzten Tagen immer mehr und immer größere Mandel- und Olivenhaine. Noch lange kein Vergleich zu den endlosen Oliven-Monokultur-Monsterplantagen, durch die ich letztes Jahr in Andalusien gewandert bin, aber es fühlt sich an, als würde ich in die richtige Richtung gehen.

Der Weg schraubt sich zwischen alten Steinterrassen hinauf zum Paß, den ich auf der tief eingeschnittenen Straße überquere. Gleich dahinter öffnet sich das Panorama weit nach Südosten über eine sanfte Hügellandschaft, eingerahmt von Bergketten. Genau meine Richtung, genau mein Geschmack. Ich kann mir das Grinsen angesichts des sonnigen Wetters und des herrlichen Ausblickes nicht aus dem Gesicht wischen, leiste mir statt dessen eine ausgiebige Mittagspause am Feldrand und arbeite Proviantreste ab.


Fast der ganze Nachmittag ist entspanntes Wandern mit den Händen in den Hosentaschen. Gegen 1500 Uhr erreiche ich die Ruine einer namenlosen Ermita, die in einem kleinen Wäldchen oberhalb des Dorfes Mas de las Matas liegt. Mit Picknickbänken. Und Aussicht. Weil ich keine Hektik habe, sitze ich hier noch ein bißchen rum und schaue in die Ferne. Nebenbei überprüfe ich nochmal meine Vorräte und: Ja, da kann man noch ein paar Ecken abrunden/abknabbern...

Mittig Mas de las Matas. Gott sei Dank will ich da nicht hin.
Hochzufrieden ziehe ich weiter, runter ins Dorf. Kein schöner Anblick. Ich weiß, ich sollte spanische Dörfer wirklich nicht nach ihrem Erscheinungsbild an einem Samstagnachmittag kurz vor einem Regenschauer beurteilen, aber Mas de las Matas sieht so tot aus, daß ich einfach nicht anders kann. Sehen Sie hier:


Puh. Vor der einzigen Bar am einzigen Platz sehe ich wenigstens ein paar Leute. Der Patient atmet ja doch noch! An irgendeinem Punkt der Planung dieser Wanderung hatte ich mal vorgehabt, in diesem Ort zu übernachten - Gott sei Dank habe ich mich anders entschieden...

Statt dessen noch eine kleine Stunde weiter, den Berg rauf nach Aguaviva. Es fängt an zu regnen, hört aber auch gleich wieder auf, wie eine kleine Drohung. Am Ortseingang sehe ich, daß die düstere Gasolinera doch einen Shop hat, der sogar geöffnet ist, also rein da, Getränke kaufen. Ich hatte vorhin ein bißchen darauf spekuliert, daß der kleine Supermarkt unten in Mas de las Matas am Samstagnachmittag noch offen hat, war aber nicht so. Geschieht mir auch recht, wenn ich so über das Dorf herziehe. Nachdem morgen Sonntag ist und sowieso alles zu hat, ist die Tankstelle eine gute Gelegenheit, sich noch schnell einzudecken. Zu den Getränken gibt es gratis noch ein bißchen Plauderei mit der Tankwartin und einer lokalen Lotto-Kundin. Beide machen sich erheblich Sorgen, wo ich heute übernachten werde, aber ich kann sie beruhigen und ihnen erklären, daß ich versorgt bin.

Die Vermieterin meiner Casa Rural gibt mir ein mollig warm geheiztes Zimmer und ist so freundlich, für mich noch ein bißchen rumzutelefonieren. Ich habe für morgen Abend noch kein Dach über dem Kopf und ich hatte sie gefragt, ob sie für mich die einzige Option anrufen würde, die ich noch offen habe (jaja, mein Spanisch...). Bisher kein Erfolg weil keine Antwort, mal gucken, was der Tag morgen bringt. Zum Zelten fühle ich mich gerade zu verfroren, aber wahrscheinlich wandere ich einfach morgen weiter nach Zorita und klopfe dort an ein paar Türen. Irgendeine wird sich schon auftun...

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